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Kapitel 1:

Am Himmel des oberbayerischen Voralpenlandes hingen schwere, dunkle Wolken. Tagsüber war es in der Region um Rosenheim für Mitte April ungewöhnlich schwül und warm gewesen und schon seit dem frühen Nachmittag braute sich über den nahen Bergen ein Gewitter zusammen. Eine Woche zuvor hatte es dort noch einmal geschneit, so dass die Bergkette des Mangfallgebirges, der Inntaler und Chiemgauer Alpen noch dick mit Schnee bedeckt war und im Licht der Frühlingssonne geglänzt hatte, solange bis die aufziehenden Gewitterwolken zu dicht wurden.

Max Hartinger und sein Kollege Ludwig Maler, beide Kommissare bei der Rosenheimer Kriminalpolizei, hatten aber an diesem Tag weder die herrlichen Berge noch das drohende Gewitter wahrgenommen. Bereits seit Stunden hielt sie ein Verdächtiger, dem der Mord an seiner jungen Lebensgefährtin zur Last gelegt wurde, auf Trab. Tagelang war er spurlos verschwunden gewesen, beinahe täglich war das Fahndungsfoto der Polizei in der örtlichen Tageszeitung und in regionalen Fernsehsendungen zu sehen gewesen. Mittags war der gesuchte Konrad Landmann einer Verkäuferin in einer Bäckerei am Rosenheimer Bahnhof aufgefallen. Sie hatte sofort die Polizei verständigt, aber bis die Streifenbeamten eintrafen, war Landmann zu Fuß in Richtung Innenstadt verschwunden gewesen. Sofort wurde ein Großaufgebot an Polizisten in Bewegung gesetzt, das die Straßen der Stadt durchkämmte und auch die Ausfallstraßen von Rosenheim kontrollierte. Nachdem es nach mehreren Stunden immer noch keinen neuen Hinweis auf den Verbleib von Landmann gab, postierten sich Max Hartinger und sein Kollege am Spätnachmittag in einem Zivilfahrzeug in der Nähe des Hauses, in dem der Mord verübt worden war und in dem sowohl das Opfer als auch der mutmaßliche Täter fast fünf Jahre gemeinsam gelebt hatten. Sie setzten darauf, dass er nach seiner offensichtlich überstürzten Flucht am Tattag nun so unvorsichtig sein würde, noch einmal zu seinem Haus zurückzukehren, um für die weitere Flucht einiges an persönlichen Gegenständen und Wertsachen zu holen.

Ludwig Maler, genannt Wiggerl, trommelte ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad.
„Seit über drei Stunden sitzen wir nun schon hier und nichts passiert. Glaubst du wirklich, der ist so blöd und taucht hier auf, Max?“
„Sicher sein können wir uns natürlich nicht, aber solange er offenbar noch in der Stadt unterwegs ist, halte ich es zumindest nicht für ausgeschlossen.“
„Wenn der Typ am Bahnhof überhaupt Konrad Landmann war.“
„Die Verkäuferin war sich absolut sicher und ich habe dir die ganzen Tage schon gesagt, wie überzeugt ich davon bin, dass er sich noch in der Nähe aufhält. Bei den Witterungsbedingungen und den immer noch kalten Nächten war es doch nur eine Frage der Zeit, bis er wieder auftaucht.“
Wiggerl wollte etwas erwidern, als Max ihn plötzlich am ausgestreckten Unterarm packte.
„Dort vorne ist er!“
Instinktiv rutschten beide auf ihren Sitzen nach unten.
„Siehst du, Wiggerl, er hat anscheinend nur abgewartet, bis es finster wurde, damit er sich zu seinem Haus trauen kann.“
„Sollen wir ihn uns sofort schnappen?“
„Nein, lass ihn erst hineingehen.“
Max griff zum Funkgerät und verständigte die Einsatzleitung, dass der Gesuchte soeben sein Haus betrat.
„Sehr gut“, bekam er zur Antwort. „Wir schicken euch sofort Verstärkung, damit er uns nicht mehr entwischt.“
„Danke, wir sichern inzwischen die Ausgänge.“

Von den Ermittlungen am Tatort unmittelbar nach dem Auffinden der Leiche von Landmanns Lebensgefährtin wusste Max, dass es im Erdgeschoss des Einfamilienhauses außer der Haustür auf der Straßenseite und der Terrassentür keine weitere Tür ins Freie gab. Gemeinsam verließen sie ihr Auto und schlichen sich auf das Grundstück. Während Wiggerl leise durch den Garten zur Terrasse auf der Südseite des Hauses lief, blieb Max vor der Haustür stehen. Im Haus war alles ruhig, Landmann hatte kein Licht eingeschaltet, offensichtlich um keine Aufmerksamkeit zu erzeugen, denn die gesamte Nachbarschaft wusste natürlich von dem Mord und dass er sich seitdem auf der Flucht befand. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der erste Streifenwagen ohne Blaulicht und Martinshorn leise vorfuhr.
„Er ist ungefähr seit fünf Minuten drin“, flüsterte Max und schickte zwei Polizisten zu Wiggerl auf die Terrasse, während die beiden anderen bei ihm an der Haustür blieben.
Dann klingelte Max an der Tür. Nichts rührte sich. Max drückte noch einmal auf den Klingelknopf und schlug einige Male kräftig mit der Faust an die Tür.
„Herr Landmann, wir wissen, dass Sie da drin sind. Das Haus ist umstellt, Sie haben keine Chance. Öffnen Sie die Tür und kommen Sie mit erhobenen Händen heraus.“
Weil es im Haus weiterhin ruhig blieb, ging Max ums Haus herum zur Terrasse.
„Er reagiert nicht auf mein Klingeln und Rufen.“
„Hier ist auch alles ruhig“, erwiderte Wiggerl. „Allerdings glaubte ich vorhin, ich hätte im ersten Stock den Lichtschein einer Taschenlampe gesehen.“
Nachdem die Spurensicherung ihre Arbeit am Tatort erledigt hatte, waren sechs Tage zuvor vor Versiegelung des Hauses im Erdgeschoss die Rollläden heruntergelassen worden. Deshalb meinte Max, dass es einfacher wäre, durch die Haustür ins Haus einzudringen.
„Bleibt ihr hier, wir werden versuchen, vorne hineinzukommen.“
Als er an der Längsseite des Hauses wieder nach vorne ging, ließ ihn ein Rascheln innehalten. In etwa drei Metern Entfernung vom Haus stand eine hochgewachsene Kastanie, deren weit ausladenden Äste bis zur Hauswand reichten. In dem Moment, als Max sah, dass im ersten Stock ein Fenster, das teilweise von den Ästen der Kastanie verdeckt war, offen stand, sprang plötzlich eine dunkle Gestalt aus dem Baum heraus auf den Rasen. Bevor Max überhaupt etwas sagen konnte, griff der Gesuchte in seine Jackentasche und zog eine schwarzen Gegenstand heraus. Max blieb keine Zeit zum Überlegen, er konnte nur reagieren. Ein peitschender Schuss zerriss die abendliche Stille. Konrad Landmann starrte Max mit offenem Mund an und ließ den Gegenstand, den er in der Hand hielt, fallen. Erst jetzt sah Max, dass es keine Waffe war, sondern eine lange Stabtaschenlampe mit schwarzem Griff und silbernem Kopf. Anscheinend hatte Landmann ihn damit blenden oder nach ihm werfen wollen. 

Von dem Schuss aufgeschreckt kamen Wiggerl und die vier Streifenbeamten gelaufen. Sie sahen gerade noch, wie Konrad Landmann in sich zusammensackte, die Hände an der Stelle an den Bauch gepresst, an der seine Jacke nun ein Loch hatte, dessen Ränder sich rasch blutrot färbten. Wiggerl legte seinen Arm um Max.
„Bist du in Ordnung?“
Max hielt seine Waffe immer noch in der Hand und nickte stumm. Einer der Polizisten sprintete zum Streifenwagen, um den Notarzt zu alarmieren, während Landmann am Boden liegend bereits das Bewusstsein verlor. Als der Notarzt zehn Minuten später eintraf, konnte er nur noch seinen Tod feststellen. Umso mehr musste er sich aber um Max Hartinger kümmern, der kreidebleich auf der Rückbank des Streifenwagens saß. Zum ersten Mal hatte er im Dienst ernsthaft von seiner Schusswaffe Gebrauch machen müssen, zum ersten Mal hatte er einen Menschen erschossen.